Was können Sie für sich oder Ihre Freunde und Kunden tun …
Grundsätzlich gibt das Bürgerliche Gesetzbuch einem Kunden das Recht, seinen Vertrag innerhalb einer Frist zu widerrufen. Voraussetzung ist eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. Entspricht die Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen, kann der Kunde den Vertrag auch Jahre später noch widerrufen. Bei einer wirksamen Widerrufsbelehrung hat der Vertragspartner unter anderem
„über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren”,
so der BGH in seinem Urteil BGH XI ZR 33/08. Im Urteilsfall blieb der Fristbeginn jedoch unklar. Deshalb hält der BGH die Widerrufsbelehrung für unwirksam.
Die unwirksame Widerrufsbelehrung lautete im Urteilsfall auszugsweise so:
“Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde.”
Diese Formulierung ist laut BGH irreführend. Der Grund:
“Diese Widerrufsbelehrung stellt nicht eindeutig fest, dass es sich um die Vertragserklärung des Kunden handeln muss.“
Genau das sieht das Gesetz aber vor. Stattdessen wird beim Kunden das Missverständnis geweckt, die Widerrufsfrist beginne schon einen Tag nach Erhalt des Vertragsangebots.
Die Folgen des BGH-Urteils sind für Kunden höchst erfreulich. Wer eine ähnlich missverständliche Formulierung in seiner Widerrufsbelehrung entdeckt, kann seinen Vertrag auch Jahre später noch widerrufen.
Nach einem Widerruf wird der Vertrag rückabgewickelt.
Seit dem 03.11.2002 kommt es auch nicht mehr darauf an, ob der Kredit in einer Haustürsituation abgeschlossen wurde, denn seit diesem Zeitpunkt räumt § 495 BGB jedem Verbraucher ein Widerrufsrecht von 2 Wochen auch für den Fall ein. Die Widerrufsfrist beginnt allerdings nur zu laufen, wenn die Widerrufsbelehrung richtig ist und das ist oft nicht der Fall.
Widerrufsrecht seit 2002
Rechtlicher Hintergrund: Seit November 2002 steht Verbrauchern auch bei Abschluss von Immobilienkreditverträgen immer ein Widerrufsrecht zu. Die Banken müssen über das Widerrufsrecht und vor allem den Beginn der Widerrufsfrist richtig und verständlich informieren. Das klingt einfach, ist es aber ganz und gar nicht. Die rechtlichen Zusammenhänge sind kompliziert.
Auch Ministerium machte Fehler
Eigentlich gab es für die Banken einen ganz einfachen Ausweg: Sie mussten nur den Mustertext des Justizministeriums abschreiben. Die Belehrung galt dann stets als korrekt. Doch das wussten die Banken damals nicht. Der Bundesgerichtshof als höchstes deutsches Zivilgericht schaffte erst viele Jahre später Klarheit. Umgekehrt war früh klar: Der Mustertext aus dem Ministerium ist selbst fehlerhaft. Die meisten Banken und Sparkassen entschieden deshalb: Wir erarbeiten selbst eine eigene Widerrufsbelehrung. Doch das ging oft gründlich schief. Die Gericht urteilten sehr streng und beanstandeten eine Widerrufsbelehrung nach der anderen.
Tausende Verträge geprüft
Wie viele und welche Widerrufsbelehrungen fehlerhaft sind, ist noch nicht genau abzusehen. Die Verbraucherzentralen haben inzwischen fast 10 000 Widerrufsbelehrungen zu Baukrediten geprüft. 80 Prozent davon waren fehlerhaft und damit unwirksam. Verschiedene Rechtsanwälte berichten von noch höheren Fehlerquoten bei den von ihnen geprüften Verträgen.
Gewinn durch Widerruf
Für betroffene Kreditnehmer erfreuliche Folge einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung: Sie können ihren Vertrag ewig widerrufen. Selbst nach Umschuldung, Tilgung oder sonstiger Abwicklung ist der Widerruf in der Regel noch möglich. Er bringt Betroffenen fast immer viele Tausend Euro; gar nicht selten sind 30 000 Euro oder sogar noch mehr drin. Hauptgrund: Die Zinsen jetzt sind viel niedriger als in den vergangenen Jahren. Beispiel: Wer jetzt noch 100 000 Euro Restschuld und eigentlich noch fünf Jahre Zinsbindung hat und monatlich 800 Euro zahlt, hat nach weiteren fünf Jahren genau 9 235,46 Euro weniger Restschuld, wenn er den Vertrag jetzt widerruft und ab sofort 2,5 statt 4,5 Prozent Zinsen zahlt.
Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung
Wer seinen Kredit etwa wegen des Verkaufs von Haus oder Wohnung gekündigt hat, musste oder muss noch eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen. Sie soll der Bank den Verlust der bis zum Ende der Zinsbindungsfrist fälligen Zinsen ausgleichen. Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung hängt vor allem vom Unterschied zwischen vereinbartem und aktuell üblichem Zinssatz sowie der verbleibenden Dauer der Zinsbindung ab. Für in den vergangenen Jahren abgeschlossene und zu Juni 2014 gekündigte typische 200 000 Euro-Baukredite errechnete Finanztest Vorfälligkeitsentschädigungen von bis zu fast 40 000 Euro. Die Vorfälligkeitsentschädigung fällt weg, wenn Kreditnehmer ihren Vertrag wirksam widerrufen. Ist die Vorfälligkeitsentschädigung bereits gezahlt, hat die Bank den Betrag zu erstatten.
Zusatzchance Rückabwicklung
Zusätzlich stehen Kreditnehmern nach Widerruf des Vertrags über die Ersparnis von Zinsen oder Vorfälligkeitsentschädigung hinaus noch Tausende von Euro zu. Der Vertrag ist dann nämlich rückabzuwickeln. Im Special erklärt Finanztest, wie Kunden auf diese Weise einen ordentlichen Batzen Geld zurückbekommen. Bei einem von Finanztest durchgerechneten Fall machte das nach 10 Jahren Laufzeit fast 10 Prozent der Kreditsumme aus.
Rechtsschutzversicherungen
Rechtsschutzversicherungen müssen Streitigkeiten um den Widerruf von Kreditverträgen auch dann bezahlen, wenn der Versicherungsvertrag erst nach dem Kreditvertrag abgeschlossen wurde. Laut Bundesgerichtshof,
Urteil vom 24.04.2013, Aktenzeichen: IV ZR 23/12, kommt es darauf an, wann die Bank sich weigert, den Widerruf zu akzeptieren. Zu diesem Zeitpunkt muss der Rechtsschutzversicherungsvertrag geschlossen sein.
Kreditbearbeitungsgebühren
Die Berechnung einer Kreditbearbeitungsgebühr ist unzulässig, da die Kreditbearbeitung keine Leistung für den Kunden darstellt, sondern im eigenen Interesse der Bank erfolgt. Das hat der Bundesgerichtshof mit den Urteilen vom 13.05.2014 zum Aktenzeichen XI ZR 170/13 und zum Aktenzeichen XI 405/12 entschieden.
Banken haben die Kreditbearbeitungsgebühren nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Fall BGB zu erstatten. Außerdem haben Banken gemäß § 818 Abs. 1 BGB die Nutzungen herauszugeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof ist davon auszugehen, dass Banken 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz erwirtschaften und dementsprechend herauszugeben haben – Urteil vom 12.05.1998, Aktenzeichen XI ZR 79/97, Urteil vom 07.06.2011, Aktenzeichen XI ZR 212/10.
Falsche Widerrufsbelehrungen :
Hier eine Zusammenfassung von Urteilen, welche Klauseln unwirksam sind:
„Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“
Die Aussage ist zwar richtig, sagt aber nur, bis wann die Frist nicht begonnen hat. Wann sie beginnt, können Verbraucher nicht erkennen. Das ist unzureichend, hat der Bundesgerichtshof schon mehrfach entschieden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Dezember 2009, Az.VIII ZR 219/08). Wirksam ist eine Belehrung mit der Formulierung nur, wenn sie bis aufs Wort dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen gesetzlichen Muster entspricht.
„Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn Ihnen diese Belehrung ausgehändigt worden ist, jedoch nicht bevor uns die von Ihnen unterschriebene Ausfertigung des Darlehensvertrages zugegangen ist.“
Kreditnehmer können den Beginn der Widerrufsfrist anhand dieser Belehrung nicht ermitteln. Wann die unterschriebene Ausfertigung des Darlehensvertrages bei der Bank eingeht, können sie nämlich nicht wissen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. März 2009, Az. XI ZR 456/07).
„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde.“
Die Formulierung, die Widerrufsfrist beginne „einen Tag“ nach Mitteilung „dieser“ Belehrung und Übermittlung einer Vertragsurkunde, ist missverständlich. Sie erweckt den Eindruck, die Frist laufe bereits mit der Übermittlung des Vertragsantrags der Bank, der die Widerrufsbelehrung enthält – unabhängig von der Annahme des Angebots (Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. März 2009, Az. XI ZR 33/08).
„Im Falle des Widerrufs müssen Sie die erhaltene Sache zurück- und gezogene Nutzungen herausgeben. Ferner haben Sie Wertersatz zu leisten, soweit die Rückgewähr (…) nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist (…).“
Die Widerrufsbelehrung darf nicht nur über die Pflichten des Verbrauchers im Falle eines Widerrufs informieren, sondern muss auch seine Rechte umfassen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. April 2007, Az. VII ZR 122/06).
Zwei unterschiedlich formulierte Belehrungen, eine mit Hinweis auf Rechtsfolgen, eine ohne.
Das ist für Verbraucher unverständlich und ein Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 24. Mai 2012, Az. I-4 U 48/12
Beispiele für falsche Belehrungen :
BW Bank, Kreditvertrag vom 18.06.2006
Citibank Privatkunden AG, Kreditvertrag vom 27.05.2003
Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG, Kreditvertrag vom 28.02.2007
Deutsche Kreditbank AG, Kreditvertrag vom 07.02.2006
DG Hyp, Kreditvertrag vom 16.11.2005
Gallinat Bank AG, Kreditvertrag vom 20.03.2002
Hamburger Sparkasse, Kreditvertrag vom 06.04.2004
Helaba Dublin Landesbank Hessen-Thüringen International, Kreditvertrag vom 2.11.2004
ING-DiBa AG, Kreditvertrag vom 16.11.2006
Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale, Kreditvertrag vom 30.11.2002
Mittelbrandenburgische Sparkasse, Kreditvertrag vom 16.04.2008
Pensionskasse Hoechst, Kreditvertrag vom 04.06.2007
Sparkasse Bergkamen-Bönen, Kreditvertrag vom 06.11.2003
Sparkasse Essen, Darlehensverträge vom 01.04.2009, 06.04.2009 und 25.08.2010
Sparkasse KölnBonn, Kreditvertrag von 2005
Volksbank Göppingen eG, Kreditvertrag vom 05.09.2008
außergerichtlich
Aachener Bausparkasse AG, Kreditvertrag vom 02.10.2006
Alte Leipziger Bauspar AG, Kreditvertrag vom 18.10.2006
Ärztekammer Westfalen-Lippe, Kreditvertrag vom 07.02.2006
Apo-Bank Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG, Kreditvertrag vom 07.10.2008
Axa, Kreditvertrag vom 18.05.2010
Axa Krankenversicherung AG, Kreditverträge vom 27.11.2009
AXA Lebensversicherung AG, Kreditvertrag vom 21.07.2009
Badenia Bausparkasse, Vertrag vom 04.09.2008
Bayerische Landesbank, Kreditvertrag vom 06.12.2005
BHW Bausparkasse AG, Darlehensvertrag vom 22.08.2006
BW-Bank, Kreditvertrag vom 11.08.2006
Commerzbank AG, Kreditvertrag vom 01.08.2006
DBV Winterthur Lebensversicherung AG, Kreditvertrag vom 30.07.2009
Debeka Bausparkasse AG, Darlehensvertrag vom 04.10.2005
Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG, Kreditvertrag vom 17.06.2009
DEVK, Forward-Darlehen vom 08.04.2010
DKB Deutsche Kreditbank AG, Darlehensvertrag vom 23.03.2005
DSL Bank, Darlehensvertrag vom 21.04.2004
Frankfurter Volksbank, Kreditvertrag vom 23.11.2005
Iduna Vereinigte Lebensversicherung e.G., Kreditvertrag vom 25.09.2008
ING-DiBa AG, Kreditvertrag vom 21.05.2004
Landessparkasse zu Oldenburg, Kreditvertrag vom 06.08.2008
LBS Norddeutsche Landesbausparkasse Berlin, Darlehensvertrag vom 21.07.2006
Märkische Bank eG, Kreditvertrag vom 25.04.2008
Münchener Hypothekenbank eG, Kreditvertrag vom 29.11.2005
PSD Bank Köln eG, Darlehensverträge vom 22. und 30.5.2008
Raiffeisenbank Oberursel e. G., Kreditvertrag vom 22.09.2008
SKG Bank AG, Kreditvertrag vom 13.03.2008
Sparda Bank Baden-Württemberg eG, Kreditvertrag vom 29.08.2008
SparDa Bank Hamburg, Vertrag vom 11.09.2003
SparDa Bank Hannover e. G., Kreditvertrag vom 16.06.2007
Sparda-Bank Südwest, Forward-Darlehen vom 15.06.2010
Sparkasse Bremen, Kreditvertrag vom 27.08.2008
Sparkasse Emsland, Kreditvertrag vom 04.07.2005
Sparkasse KölnBonn, Kreditvertrag vom 16.03.2007
Sparkasse Lüdenscheid, Kreditvertrag vom 12.09.2006
Sparkasse Mittelholstein AG, Darlehensvertrag vom 24.03.2005
Sparkasse Südholstein, Kreditvertrag vom 27.06.2008
Sparkasse Ulm, Kreditvertrag vom 23.12.2008
Sparkasse Vorderpfalz, Kreditvertrag vom 22.04.2008
Stadtsparkasse Wuppertal, Kreditvertrag vom 10.11.2003
Swiss Life AG, Kreditvertrag vom 28.08.2012
Targobank AG & Co. KGaA, Kreditvertrag vom 11.09.2008
Umweltbank AG, Forward-Darlehen vom 29.11.2010
Victoria Lebensversicherung AG, Kreditvertrag vom 12.02.2004
Volksbank Bühl e. G., Kreditvertrag vom 19.02.2008
Volksbank Chemnitz eG, Verträge vom 30.10.2006
Volksbank Darmstadt-Südhessen e. G., Kreditvertrag vom 28.10.2009
Volksbank Dreieich, Kreditvertrag vom 19.05.2011
Volksbank Elmshorn, Kreditvertrag vom 15.06.2007
Volksbank Main-Taunus e. G., Kreditvertrag vom 05.10.2006
Volksbank Münster e. G., Kreditvertrag vom 28.01.2008
Volksbank Wilferdingen-Keltern eG, Kreditvertrag vom 21.01.2008
VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden e. G., Kreditvertrag vom 14.02.2008
VR-Bank Passau e. G., Kreditvertrag vom 26.08.2008
VR-Bank Westpfalz e. G., Kreditvertrag vom 14.11.2005
Westdeutsche Immobilienbank AG, Darlehensverträge vom 23.11.2005
Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung AG, Kreditvertrag vom 05.01.2007